Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Vergemeinschaftung der Rechtsverfolgung von Ansprüchen auf Wiederherstellung des Gemeinschaftseigentums teilweise im Urteil vom 26.10.2018 aufgegeben. Die rechtliche Problematik entstand aus einem ganzen Strauß an Streitigkeiten, die ihren Ausgangspunkt in einer baulichen Änderung hatten. Ein Eigentümer baute im Dachgeschoss fünf Dachflächenfenster ein. Nun entstanden hieraus drei Gerichtsprozesse.
Prozess eins: Die Wohnungseigentümer beschlossen nachträglich die Genehmigung der baulichen Änderung. Hiergegen wandte sich ein Eigentümer mit einer Beschlussanfechtungsklage. Der Beschluss wurde durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt.
Prozess zwei: Einzelne Eigentümer forderten nun auch die bauliche Wiederherstellung des vorherigen Zustandes im Wege der Klage (dieser Prozess endete mit dem genannten BGH-Urteil).
Die Gemeinschafter fassten einen Vergemeinschaftungsbeschluss bzgl. der Wiederherstellung im Oktober 2015 und hoben ihn im Januar 2016 wieder auf. Es folgten Vergleichsgespräche mit dem Inhalt einer monetären Kompensation durch Leistung eines Geldbetrages zugunsten der Instandhaltungsrücklage, die aber scheiterten.
Prozess drei: Nach dem Scheitern der Vergleichsgespräche fasste die Wohnungseigentümerversammlung 2017 abermals einen Vergemeinschaftungsbeschluss, wonach die WEG nun die Rückbauansprüche gerichtlich verfolgen soll. Dieser Beschluss wurde auch angefochten. Das Amtsgericht erklärte den Beschluss für nichtig. Hiergegen wurde Berufung eingelegt. Über die Berufung wurde noch nicht entschieden. Eine auf den Rückbau der Fenster gerichtete Klage hat die WEG daher noch nicht erhoben.
Währenddessen entwickelte sich Prozess zwei – Klage einzelner Eigentümer auf Rückbau – weiter und marschierte durch die Instanzen. Das Amtsgericht München verurteilte die Dachgeschossbewohner antragsgemäß die Fenster wieder zurück zu bauen. Das Landgericht hob das Urteil auf und wies die Klagen ab. Das Landgericht München I führte im Urteil 15.11.2017 aus, das eine unzulässige bauliche Änderung nach § 22 Abs. 1 WEG vorliege. Die Kläger machten einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB geltend. Nach dieser Norm könne der Anspruchsinhaber nicht nur Geldersatz fordern, sondern wahlweise auch die Wiederherstellung des vorherigen (unbeschädigten) Zustandes (sog. Naturalrestitution). Für Schadensersatzansprüche bestehe indessen eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes der Wohnungseigentümer, so dass der einzelne Wohnungseigentümer gar nicht klagebefugt sei. Anders verhalte sich dies bei Wiederherstellungsansprüchen nach § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB. Diese konkurrierenden Ansprüche könne der einzelne Eigentümer solange geltend machen, solange die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die Rechtsverfolgung durch Gemeinschaftsbeschluss an sich gezogen habe (gekorene Ausübungsbefugnis). Diese Diskrepanz der Prozessführungsbefugnis durfte nach Meinung des Landgerichts nicht vorliegen, so dass beide Fälle notwendigerweise einheitlich zu beurteilen seien. Das Berufungsgericht entschied sich dafür, eine geborene Zuständigkeit des Verbandes anzunehmen, so dass nur die WEG klagen dürfe.
Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrer Revision zum BGH. Die Revision hatte Erfolg. Anders als das Berufungsgericht meine, bestünde für Beseitigungsansprüche grundsätzlich nur eine gekorene Zuständigkeit des teilrechtsfähigen Verbandes (BGH-Urteil vom 30.3.2006, V ZB 17/06 – ZIV 2006, 46, BGH-Urteil vom 7.2.2014, V ZR 25/13 – ZIV 2014, 23, BGH-Urteil vom 4.7.2014, V ZR 183/13 – ZIV 2014, 61, BGH-Urteil vom 5.12.2014, V ZR 5/14 – ZIV 2014, 79, BGH-Urteil vom 13.10.2017, V ZR 45/17 – ZIV 2017, 79).
Im Urteil vom 7.2.2014 (V ZR 25/13 – ZIV 2014, 23) hatte sich der BGH schon einmal mit der Frage beschäftigt, ob bauliche Wiederherstellungsansprüche, die auf Schadensersatzansprüche gestützt würden, eine gekorene (Verband nur nach Beschluss) oder geborene (nur und immer der Verband) Ausübungsbefugnis bestehe. Er habe sich in der Entscheidung für eine geborene Ausübungsbefugnis entschieden. Daran halte der Senat nun nicht mehr fest.
Er habe sich in der Entscheidung für eine geborene Ausübungsbefugnis entschieden. Daran halte der Senat nun nicht mehr fest. Für Schadensersatzansprüche, die auf einer Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt würden, bestünde lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Hs. 2 WEG), wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Mieteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 BGB stünden. Die Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Wohnungseigentümers müsse bei konkurrierenden Ansprüchen insoweit einheitlich beurteilt werden, was das Berufungsgericht auch so sah, nur eben mit umgekehrten Vorzeichen der alleinigen Zuständigkeit der WEG.
Der V. Zivilsenat führte weiter aus, dass nach seiner Rechtsprechung eine geborene Ausübungsbefugnis nur dann in Betracht käme, wenn schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessuale durchzusetzen deutlich überwiege, vgl. BGH-Urteil vom 24.7.2015 (V ZR 167/14 – ZIV 2015, 47)
Nach der Interessenlage müsse ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich sein. Dagegen genüge bei der gekorenen Ausübungsbefugnis, dass die Rechtsausübung durch den Verband förderlich ist.
Für eine nur gekorene Zuständigkeit spräche u.a., dass die an sich erwünschte Möglichkeit der Rechtsverfolgung des einzelnen Wohnungseigentümers erheblich beeinträchtigt wäre. Bauliche Veränderungen würden häufig nicht alle Wohnungseigentümer gleichermaßen betreffen. Deshalb sei es nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert, dass von vorneherein der Verband zuständig sei und mit dem Kostenrisiko einer Auseinandersetzung belastet werde.
Das landgerichtliche Urteil sei auch nicht aus anderen Gründen richtig. Ob die Prozessführung durch den Vergemeinschaftungsbeschluss im Jahre 2017 entfallen sei, konnte der Senat nicht beurteilen, weil das Berufungsgericht offen gelassen habe, ob dieser durch die Anfechtung entfallen sei. Der Rechtsstreit musste deswegen zurück verwiesen werden.
Dabei führte er aus, dass es unbeachtlich sei, dass der Beschluss keine Regelung zur Prozessführung enthalte. Dies sei nicht Voraussetzung für einen wirksamen Vergemeinschaftungsbeschluss. Der Annahme des Amtsgerichts (Prozess drei), dass der Vergemeinschaftungsbeschluss nichtig sei, trat der BGH in einem obiter dictum entgegen. Nur in Ausnahmefällen könne man eine Nichtigkeit eines Beschlusses annehmen, wenn die Eigentümer qua Beschluss die Rechtsverfolgung eines Individualanspruchs an sich zögen. Dies komme in Betracht, wenn ein Eigentümer seinen Anspruch bereits gerichtlich geltend gemacht habe, eine Rechtverfolgung durch die WEG nicht beabsichtigt sei und die Beschlussfassung allein dazu dienen solle, den laufenden Individualprozess zu beenden. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der Vergemeinschaftung, die nicht die Rechtsverfolgung verhindern, sondern gemeinschaftlich ermöglichen sollte.
Sollte danach ein Nichtigkeitsgrund zu verneinen sein, könne das Berufungsgericht den Rechtsstreit (Prozess zwei) nach § 148 ZPO aussetzen, bis dass der Rechtsstreit über den Vergemeinschaftungsbeschluss (Prozess drei) beendet sei und dessen Ergebnis feststehe. Die Norm sei nur analog anzuwenden, weil der Vergemeinschaftungsbeschluss an sich nicht vorgreiflich sei, da er wirksam sei, bis dass er rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei. Andernfalls laufe der Kläger aber Gefahr, dass er aufgrund der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Anfechtung des Vergemeinschaftungsbeschlusses diesen Rechtsstreit (Prozess zwei) verlöre und nach einem möglichen Obsiegen im Vergmeinschaftungsprozess (Prozess drei) erneut klagen müsse. Diese Belastung sei dem Kläger nicht zuzumuten, so dass der hiesige Prozess (Prozess 2) ausgesetzt werden könne, V ZR 328/17.