Der Ort des Geschehens (Ort und Fluss) wurde vom BGH auf die Anfangsbuchstaben gekürzt. Man darf aber annehmen, dass der juristisch zu bewertende Sachverhalt in Rostock spielt. Die Versicherungsnehmerin wollte ihre Immobilie im Stadthafen versichern. Sie lag direkt an der Warnow. Die Versicherungsnehmerin fand eine Versicherung, mit der eine Vielgefahrenversicherung unter Einschluss der Allgemeinen Versicherungsbedingungen „ECB-2010 abgeschlossen wurde“. In diesen Bedingungen ist u.a. geregelt:
1. „Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Überschwemmung oder Rückstau zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.“ (…) 2. Überschwemmung ist die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch a) Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern; (..) 4. Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch (..) bb) Sturmflut.
In der Nacht vom 4. auf den 5. Januar 2017 zog ein Tiefdruckgebiet über die Ostsee hinweg und führte an der Ostsee aufgrund stark auflandigen Windes zu erhöhten Pegelständen von bis zu 1,60 Meter über den mittleren Pegelständen. Das Wasser der Warnow konnte dadurch nicht wie üblich in die Ostsee fließen, so dass es zu einer Wasseraufstauung landeinwärts kam. Auch im Rostocker Stadthafen kam es zu Überflutungen, die am Gebäude der Versicherungsnehmerin zu Schäden in Höhe von rund 14.000 € führte. Die Versicherung berief sich auf den Risikoausschluss „Sturmflut“ und verweigerte die Schadensregulierung. Die Versicherungsnehmerin klagte und obsiegte in allen drei Instanzen.
Der BGH bestätigte im Urteil vom 26.2.2020, dass der Risikoausschluss „Sturmflut“ nicht greife, weil der Schaden nicht durch eine Sturmflut verursacht worden sei. Der Begriff „Sturmflut“ sei in den Versicherungsbedingungen nicht definiert. Für das Verständnis dieses Begriffes komme es daher auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie sei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Erst in zweiter Linie sei der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klausel zu berücksichtigen. Risikoausschlussklauseln seien dabei nach der Rechtsprechung des BGH eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordere. Unbeachtlich seien daher Klassifizierungen, wie sie in einer einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht bekannten DIN oder behördlichen Regelung vorgenommen würden. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch würde ein Versicherungsnehmer eine Sturmflut als einen außergewöhnlich hohen Anstieg des Wassers an der Meeresküste und an den Flussmündungen verstehen.
Auch wenn man bei dem ermittelten Pegelstand von einer Sturmflut an der Küste ausginge, würde ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer hierunter nicht den Flusswasserrückstau weiter landeinwärts verstehen. Die Überflutung sei nach diesem Verständnis nicht durch die Sturmflut erfolgt, sondern durch die unzureichende Entwässerungsmöglichkeit der Warnow. Da dieser Fall nicht ausgeschlossen war, wird die Versicherung den Schaden nun regulieren müssen, IV ZR 235/19.