Es nimmt nicht Wunder, dass der Streit, der im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.5.2019 mündete, seinen Anfang in Berlin nahm. Die Mieter der Wohnung mit Plakat solidarisierten sich mit ihrer Aktion mit einem Kiezladen im Erdgeschoss, dessen Betreiber eine Kündigung von der Vermieterin erhalten hatte.
Die Vermieterin verkaufte die Immobilie an eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft. Diese erhob Räumungsklage gegen den Ladenbesitzer, mit Erfolg. Nachdem der Ladenbesitzer geräumt worden war, forderte die neue Vermieterin die Mieter im 1. Obergeschoss auf, das Transparent wieder abzunehmen. Dem kamen die Mieter nach. Dann besannen Sie sich eines anderen und forderten die Genehmigung zur Wiederanbringung, die die Vermieterin nicht erteilte.
Die Wohnungsmieter erhoben daraufhin Duldungsklage zum Amtsgericht Berlin-Neukölln. Das Amtsgericht gab erstaunlicherweise der Klage statt. Es setzte den Streitwert auf 500 € fest, so dass die Berufung aufgrund der erforderlichen Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 ZPO: mehr als 600 €) nicht zulässig war.
Die Vermieterin legte gleichwohl Berufung zum Landgericht Berlin ein. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss gemäß § 522 ZPO durch einstimmigen Beschluss der Kammer. Der erforderliche Beschwerdewert sei nicht erreicht. Der Streitwert sei richtig bemessen. Die Bausubstanz werde nicht tangiert und im Übrigen habe die Vermieterin das Haus schon mit dem Plakat erworben, so dass sie damit rechnen musste, dass sie die Immobilie nicht ohne Weiteres oder nur mit einem geringeren Gewinn weiterverkaufen könne.
Die Rechtsbeschwerde hiergegen hatte Erfolg. Der BGH führte in seinem Beschluss aus, dass die Gerichtsentscheidung die Vermieterin in ihrem – auch ausländischen juristischen Personen zustehenden – verfassungsrechtlich geschützten Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz nach Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 GG verletze. Es verbiete den Gerichten, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Das Landgericht habe ermessensfehlerhaft einen Streitwert von 500 € als gegeben angesehen. Es habe in sachwidriger Weise darauf abgestellt, dass das Plakat schon zum Zeitpunkt des Immobilienerwerbs am Haus angebracht war. Der Beschwerdewert bemesse sich u.a. nach dem Wertverlust und der optischen Beeinträchtigung des Hauses (BGH, Beschluss vom 17.5.2006, VIII ZB 31/05). Das 1,5 x 4 Meter große Transparent stelle eine schwerwiegende optische Beeinträchtigung dar, die einen deutlich höheren Wert als 600 € nach sich ziehe. Hinzu komme, dass der Text des Banners den Eindruck erwecke, die Vermieterin missachte Mieterinteressen.
Es sei auch nicht im Ansatz nachvollziehbar, wie das Berufungsgericht den Minderwert danach bemessen konnte, dass das Plakat schon zurzeit des Immobilienerwerbs angebracht war. Materiell-rechtliche Gesichtspunkte hätten bei der Streitwertbemessung keine Berücksichtigung zu finden; diese sei allein nach dem Rechtschutzziel zu bemessen, VIII ZB 66/18.