Mit der Herabsetzung der Stimmkraft für sogenannte „Geisterwohnungen“ beschäftigt sich das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.1.2019. Der Bauträger hatte in einer Leipziger Wohnanlage vier Wohnhäuser mit insgesamt 242 Wohnungen geplant. Tatsächlich errichtet wurden nur zwei Häuser mit 122 Wohnungen. Nach der Teilungserklärung sollte die Stimmkraft und die Kostenverteilung nach dem Flächenverhältnis der Wohnungen erfolgen. Daneben sah die Teilungserklärung vor, dass diese mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen geändert werden könne. Der Bauträger hatte aufgrund dieser Regelung eine Stimmkraft von 48%.
Bei der Eigentümerversammlung vom 14.1.2017 wurde der Antrag gestellt, die Stimmkraft des Bauträgers in einem bestimmten Verhältnis zu reduzieren. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Mehrere Eigentümer fochten diesen Negativbeschluss an. Das Amtsgericht änderte durch Urteil die Teilungserklärung nach § 21 Abs. 8 WEG. Das Amtsgericht schuf in dem Urteil eine Stimmkraftregelung, die dazu führte, dass die Stimmkraft des Bauträgers um ein Vierteil auf rund 36% sank. Das Landgericht Dresden wies die Berufung zurück und ließ die Revision zum BGH zu.
Der Bundesgerichtshof wies die Revision im Urteil vom 18.1.2019 (V ZR 72/18) zurück. Es könne dahinstehen, ob vorliegend die Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG die richtige Klageart sei, weil die Teilungserklärung eine Öffnungsklausel enthielte, die eine Änderung qua Beschluss erlaube. Eine Teilungserklärung könne jedenfalls durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG geändert werden, wenn ein Wohnungseigentümer auf ihre Änderung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG einen Anspruch habe, den die übrigen Eigentümer nicht erfüllten. Ob daneben eine Änderung der Teilungserklärung nur durch Vereinbarung oder auch durch Beschluss in diesem Fall überhaupt möglich gewesen wäre (vgl. BGH-Urteil vom 10.10.2014, V ZR 315/13 – ZIV 2014, 78), könne offen bleiben, da auf die begehrte Änderung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG in beiden Fällen ein Anspruch bestand (vgl. BGH-Urteil vom 15.1.2010, V ZR 114/09 – ZIV 2010, 11)
Nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG bestünde ein Individualanspruch jedes Wohnungseigentümers gegen die anderen Miteigentümer auf Abschluss einer geänderten Vereinbarung, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unbillig erscheine (vgl. BGH-Urteil vom 8.4.2016, V ZR 191/15 – ZIV 2016, 69, BGH-Urteil vom 23.3.2018, V ZR 65/17 – ZIV 2018, 52).
Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer gehöre nach der Rechtsprechung des BGH zum Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte (BGH-Beschluss vom 19.9.2002, V ZB 30/02, BGH-Urteil vom 10.12.2010, V ZR 60/10 – ZIV 2011, 7, BGH-Urteil vom 6.12.2013, V ZR 85/13 – ZIV 2014, 23, BGH-Urteil vom 13.1.2017, V ZR 290/16 – ZIV 2017, 66). Dies schließe aber Einschränkungen der Stimmkraft nicht grundsätzlich aus. Sie komme ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen in Betracht. Schwerwiegende Gründe für die Änderung der Teilungserklärung sah der V. Zivilsenat in dem Stimmgewicht von 48%, gleichwohl dem kein tatsächlich existierendes Sondereigentum zugrunde lag (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 22.12.1989, V ZR 339/87, BGHZ 110, 36, 39). Mit diesem Stimmgewicht habe der Bauträger faktisch die Stimmenmehrheit bei den regelmäßig nicht voll besetzten Versammlungen. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Bauträger seine Mehrheitsmacht nicht im Wege der Majorisierung missbrauche. Maßgeblich sei, dass den Eigentümern eine gemeinschaftliche Verwaltung der Immobilie zustehe, faktisch sie aber von einem Eigentümer beherrscht werde, der selbst nicht Eigentümer einer tatsächlich existierenden Wohnung ist. Dem Umstand, dass das Stimmrecht zum Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte gehöre, sei auf der Rechtsfolgenseite durch das Gericht dadurch Rechnung getragen worden, dass die Stimmkraft nur maßvoll um ein Vierteil auf 36% reduziert wurde und nicht aufgehoben wurde. Der Bauträger habe es zudem in der Hand, wieder eine volle Stimmkraft zu erlangen, indem er die fehlenden Wohnungen der Wohnanlage errichte, V ZR 72/18.