Man sieht es der 40 Seiten starken Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.2.2020 nicht auf Anhieb an, aber sie wird für einiges Geschiebe im Kräfteverhältnis der Kaufvertragsparteien von Eigentumswohnungen sorgen. Betroffen ist gleichermaßen der Verkauf von gebrauchten wie von neuen Wohnungen.
Im Gerichtssprengel des Landgerichts Leipzig kauften Eheleute gemeinsam ein Mietshaus. Die Ehe ging später in die Brüche und machte eine Regelung bzgl. der Immobilie notwendig. Die Immobilie wurde in hälftiges Miteigentum aufgeteilt, wobei die Ehefrau die Verwaltung der Immobilie übernehmen sollte. 2009 verkaufte der Ehemann seinen Miteigentumsanteil für 583.000 €. Davon sollten 83.000 € in bar bezahlt werden, was auch geschah. Die restliche halbe Million Euro sollte die Käuferin durch Bedienung der Darlehensraten des Verkäufers in Höhe von 5.800 € monatlich bezahlen. Weiter wurde vereinbart, dass die Darlehensraten von dem Verwaltungskonto bezahlt werden, auf dem die Mieten eingingen. Für den Fall, dass die hälftigen Mieteinnahmen nicht genügen sollten, verpflichtete sich die Käuferin dazu, das Konto mit genügender – anteiliger – Liquidität auszustatten. Die Käuferin hatte sich im Kaufvertrag ferner verpflichtet, den Verkäufer von allen Zahlungsverpflichtungen in Bezug auf den Kapitaldienst freizustellen. Der Verkäufer behielt sich ein vertragliches Rücktrittsrecht für den Fall vor, dass die Käuferin dieser Verpflichtung nicht nachkommt.
Nach rund zwei Jahren erhielt der Verkäufer von seiner Exehefrau Post, in der ihm mitgeteilt wurde, dass für den Kapitaldienst nicht genügend Deckung auf dem Mieteingangskonto vorhanden gewesen sei und von ihr bereits 29.000 € verauslagt wurden. Sie forderte den Verkäufer (Exehemann) zum Ausgleich auf. Dieser wandte sich an seine Käuferin und erinnerte an die Abrede, wonach diese den Verkäufer von allen Kapitaldienstverpflichtungen freizustellen habe. Nachdem die Käuferin keine Zahlungen leistete, trat der Verkäufer vom Kaufvertrag zurück und forderte die Rückabwicklung des Vertrages.
Die Käuferin wendete sich gegen die Wirksamkeit des Rücktritts mit der Begründung, dass das Gebäude erhebliche Mängel (Schwammbefall, Brandschutzmängel, Mängel an der Grundleitung des Gebäudes, unzureichende Wärmedämmung und Abdichtung von außen) aufweise. Die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten betrügen rund 563.000 €, so dass dem Rücktritt ein Zurückbehaltungsrecht entgegenstehe.
Der Verkäufer klagte auf Rückabwicklung, die Käuferin erhob Widerklage in Höhe der Differenz von Kaufpreis und Mangelbeseitigungskosten. Der Rechtsstreit marschierte durch die Instanzen bis zum BGH. Ein erstes BGH-Urteil (vom 22.1.2016, V ZR 196/14) führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung zum OLG Dresden. Dies entschied nun abermals. Die neuerliche Revision führte zum jetzigen Urteil vom 14.2.2020, in dem der Rechtsstreit abermals zur weiteren Verhandlung an das OLG Dresden, allerdings zu einem anderen Zivilsenat zurückverwiesen wurde.
Kein Rücktritt, wenn Mängeleinrede besteht
Im Ausgangspunkt wirft der BGH in seinem Urteil die Frage auf, ob der erklärte Rücktritt vom Vertrag (nach § 346 BGB, § 323 Abs. BGB i.V.m. dem Kaufvertrag) des Verkäufers an der erhobenen Einrede des wegen Mängeln nicht erfüllten Vertrags scheitert, § 320 BGB. Dies setzt voraus, dass die Käuferin zur Freistellung des Verkäufers von der Darlehensschuld verpflichtet war und dieser Anspruch auch durchsetzbar war, ihm also keine Einreden entgegenstanden.
Bereits das Bestehen der Einrede genügt
Eine Einrede stellt ein Leistungsverweigerungsrecht dar, das im Gegensatz zu Einwendungen geltend gemacht werden muss, um rechtliche Wirkung zu entfalten. Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit von diesem Grundsatz Ausnahmen formuliert. So ist entschieden, dass Verzug nicht eintreten kann, wenn dem Schuldner eine Einrede zur Seite steht und zwar auch dann, wenn er die Einrede nicht erhoben hat (vgl. BGH-Urteil vom 26.10.1965, NJW 1966, 200, 7.5.1982, V ZR 90/81, BGHZ 84, 42, BGH-Urteil vom 9.6.2016, IX ZR 314/14). Der BGH hat nun entschieden, dass dies auch für das Recht zum Rücktritt gelte. Stehe dem Käufer die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) zur Seite, müsse er diese nicht erheben, um einen Rücktritt des Verkäufers zu vereiteln. Es genügt vielmehr das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen.
Käufer von Miteigentum kann sich auf alle Mängel des Gemeinschaftseigentums berufen
Zu diesen tatbestandlichen Voraussetzungen gehört, dass tatsächlich Baumängel vorhanden sind und die Käuferin deswegen Rechte gegen den Verkäufer herleiten kann.
Nach den Ausführungen des V. Zivilsenats ist insoweit nicht von Bedeutung, dass die Immobile nicht im Alleineigentum des Verkäufers stand. Auch dem Käufer eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück mit aufstehendem Gebäude stünde ein Nacherfüllungsanspruch zu. Bei vergleichbaren Fallgestaltungen, wie dem Erwerb einer Eigentumswohnung verhalte es sich entsprechend. Der Käufer einer neu errichteten Eigentumswohnung habe gegen den Verkäufer (Bauträger) einen uneingeschränkten Nachbesserungsanspruch auch bezgl. des Gemeinschaftseigentums. Bisher habe der BGH noch nicht entschieden, ob dies auch im Fall des Kaufs einer Bestandswohnung gelte (offen gelassen, vgl. BGH-Urteil vom 24.7.2015, V ZR 167/14 – ZIV 2015, 47, BGH-Urteil vom 25.2.2016, VII ZR 156/13 – ZIV 2016, 17). Diese Frage bejaht nun der BGH. Auch der Käufer einer Bestandswohnung habe im Wege der Nacherfüllung Anspruch auf vollständig mangelfreies Gemeinschaftseigentum gegen den Verkäufer der Wohnung. Dieser Nacherfüllungsanspruch setze den ursprünglichen Erfüllungsanspruch nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB im Sinne einer „Resterfüllung“ fort. Der Käufer solle mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen habe. Der Unterschied zum Erfüllungsanspruch bestünde – neben der speziellen Verjährungsfrist zur Gewährleistung in § 438 BGB und den Anspruchsausschlüssen nach §§ 442, 444 BGB im Wesentlichen darin, dass Gegenstand des Nacherfüllungsanspruchs nicht mehr die erstmalige Lieferung einer mangelfreien Kaufsache sei, sondern die Herstellung ihrer Mangelfreiheit durch Nachbesserung oder durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (vgl. BGH-Urteil vom 13.4.2011, VIII ZR 220/10 – Campinganhänger). Der Anspruch auf Nacherfüllung stünde daher auch dem Käufer nur eines Miteigentumsanteils zu.
Unerheblich ist die Entdeckung von Mängeln erst nach der Übergabe
Bereits entschieden sei vom BGH, dass auch geringfügigeMängel an der Kaufsache das Recht zur vollständigen Zurückbehaltung des Kaufpreises begründeten, wenn der Käufer den Mangel schon bei der Übergabe bemerke (BGH-Urteil vom 26.10.2016, VIII ZR 211/15 (PKW), BGH-Urteil vom 6.12.2017, VIII ZR 219/16 (Farbe)). Nun entschied der BGH, dass die Rechtslage nicht anders zu bewerten sei, wenn der Mangel später entdeckt worden sei. Dies gelte erst Recht für erhebliche Mängel der Kaufsache.
Kaufpreiszahlungsverweigerung ist endlich
Die Verweigerung der Kaufpreiszahlung führe zu keinem unerträglichen Dauerschwebezustand für den Verkäufer. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB wegen Mängeln stünde unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Setze der Verkäufer dem Käufer eine angemessene Frist, die Mängelbehauptung zu konkretisieren oder sich für eines der Mängelrechte (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt) zu entscheiden, entfalle die Einrede, wenn der Käufer nicht fristgerecht handele.
Käufer muss an Nacherfüllung ggf. mitwirken
Diese Mängeleinrede nach § 320 BGB scheitere vorliegend auch nicht am Unvermögen des Verkäufers. So könne der Verkäufer seiner Nacherfüllungspflicht nur nachkommen, wenn der Käufer daran mitwirke, indem er dem Verkäufer die Gelegenheit hierzu gebe. Der Käufer muss also dem Verkäufer beispielsweise den Zutritt zur Immobilie verschaffen. Bei Miteigentum haben insoweit die anderen Eigentümer ein Mitspracherecht. Der Käufer müsse, so der BGH weiter im Urteil, auch die anderen Miteigentümer zu ggf. erforderlichen Mitwirkungen veranlassen. Gelänge dies dem Käufer nicht oder nur auf dem Klageweg, werde der Verkäufer nach § 275 Abs. 1 BGB von der Nacherfüllung befreit. Es sei dem Verkäufer nicht zuzumuten, erst den Ausgang eines solchen Rechtsstreits abzuwarten.
Zurückverweisung zur Mängelprüfung
Ob der erklärte Rücktritt des Verkäufers wirksam war, hänge mithin davon ab, ob der Käuferin die Mängeleinrede zustehe. Der BGH verwies daher den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht, das nun Beweis über die behaupteten Mängel an der Immobilie zu erheben hat. Der Kaufvertrag sah zudem einen Gewährleistungsausschluss vor. Der Dresdner Senat wird daher auch zu prüfen haben, ob die Mängel auf einer Beschaffenheitsvereinbarung beruhen oder ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gegeben ist, da die Haftungsfreizeichnung die Mängelhaftung insoweit nicht beschränken kann, V ZR 11/18.