Beim Amtsgericht Kassel ging eine Beschlussanfechtungsklage und ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein. Dem Antrag zufolge sollte der Vollzug eines Beschlusses untersagt werden, mit dem eine Fassadensanierung beschlossen worden war.
Das Amtsgericht Kassel gab nach mündlicher Verhandlung dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 27.8.2020 statt. Dem ging folgender Sachverhalt voraus. Die Verwalterin hatte in der Ladung zur Eigentümerversammlung vermerkt: „Aufgrund der Größe der Sitzungsräume muss die Anzahl der anwesenden Eigentümer beschränkt werden (10 Personen inkl. Verwalter). Erteilen Sie daher möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung. Der Verwalter behält sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, sofern die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird und keine einvernehmliche Regelung am Versammlungstag getroffen werden kann.“
Ein nichtiger Beschluss liege vor, wenn er gegen zwingende Vorschriften oder die guten Sitten oder Grundsätze des Wohnungseigentumsrechts verstoße, ohne Beschlusskompetenz gefasst werde oder in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen werde. Letzteres sei der Fall.
Die Teilnehmerbeschränkung führe dazu, dass bei einer Vollversammlung zwei Eigentümer nicht an der Versammlung teilnehmen könnten und von einer Ausschließung bedroht wären.
Hierdurch sei ein Eingriff in den Kernbereich der Rechte als Wohnungseigentümer erfolgt. Es sei daher davon auszugehen, dass der gefasste Beschluss nichtig sei. Auch ohne dass sich eine Partei auf die Nichtigkeit berufe, sei die Nichtigkeit von Amts wegen zur berücksichtigen (BGH-Urteil vom 22.7.2011, V ZR 245/09).
Unbeachtlich sei, dass sich der Verwalter vorbehalten habe, im Falle einer fehlenden einvernehmlichen Regelung die Versammlung abzusagen. Denn schon durch die Ankündigung werde Druck auf die Wohnungseigentümer ausgeübt, an der Versammlung nicht teilzunehmen. Unbeachtlich sei, ob der Druck gewirkt habe; es genüge, dass die Ankündigung geeignet gewesen sei, diesen Druck entstehen zu lassen.
Hinzu komme, dass die Corona-Pandemie ein solches Vorgehen nicht rechtfertigen könne. Zum einen sei eine Versammlung zurzeit des anberaumten Termins nach der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebs von Einrichtungen (…) aufgrund der Corona Pandemie vom 7.5.2020 des Landes Hessen zulässig gewesen. Zum anderen seien Beschlussfassungen zu wichtigen Beschlussgegenständen wie Wirtschaftsplan oder Verwalterbestellung durch § 6 des Maßnahmegesetzes vom 27.3.2020 vorläufig mit einem Moratorium versehen, 800 C 2563/20.