Sehr positiv hatte die Praxis die mit der WEG-Novelle 2007 eingeführten Ermächtigungen beschussweise Kostenverteilungsschlüssel zu ändern, aufgenommen. Die Freude daran währte in Bezug auf § 16 Abs. 4 WEG nicht lange. Mit Urteil vom 18.6.2010 (V ZR 164/09) – ZIV 2010, 54 zog der BGH eine Grenze, soweit eine Kostenveränderung auch Folgewirkung für die Zukunft haben kann. Den umgekehrten Schritt unternahm er nun im Urteil vom 15.5.2020.
Bei der Eigentümerversammlung vom 1.6.2012 fassten Wohnungseigentümer im Amtsgerichtsbezirk Senftenberg den Beschluss, den Eigentümern zu gestatten, an ihren Fenstern und Türen hofseitig fach- und sachgerecht Jalousien, Lamellen und feste Verschattungen zu installieren. Im September 2013 brachten einzelne Wohnungseigentümer Jalousien an der Stahlbaukonstruktion der Hofseite des Hauses an. Die hiergegen gerichtete Klage auf Beseitigung der Jalousien lief schon durch die Instanzen bis zum BGH und mündete schließlich im Urteil vom 20.7.2018 (V ZR 56/17 – ZIV 2018, 65), in dem der BGH das Berufungsurteil aufhob und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwies. Während dieses laufenden Berufungsverfahrens fassten die Wohnungseigentümer am 28.9.2018 einen weiteren Beschluss, der wiederum in einem anderen Verfahren angefochten wurde:
„Die Eigentümer beschließen, allen Wohnungseigentümern wird gestattet, an die hofseitige Fassade (…) Verschattungsanlagen (Jalousien (…)) fachmännisch anzubringen. (…) Die entstehenden Einbau- und eventuellen Folgekosten werden durch die Eigentümer der jeweiligen WE, welche die Verschattungen installieren, selbst getragen. (…)“
Die Fortsetzung des Rechtsstreits vor dem Berufungsgericht war erneut nicht erfolgreich. Im Berufungsurteil stellte das LG Frankfurt (Oder) fest, dass kein Anspruch auf Beseitigung der Verschattungsanlage nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG bestehe, weil die Wohnungseigentümer aufgrund des Beschlusses vom 28.9.2018 nach § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet seien.
Es gäbe auch keinen Anlass, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussanfechtungsverfahrens auszusetzen. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde eingelegt, so dass der BGH sich nun ein zweites Mal mit dem Fall befassen musste.
Im Urteil vom 15.5.2020 stellte der BGH nochmals klar, dass ein von einer baulichen Änderung (§ 22 Abs. 1 WEG) nach § 14 Nr. 1 WEG nachteilig betroffener Wohnungseigentümer nach § 1004 BGB und nach § 15 Abs. 3 WEG die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung fordern könne.
Zur Recht habe aber das Landgericht entschieden, das die klagenden Wohnungseigentümer die bereits angebrachte Verschattungsanlage dulden müssten.
Die Wohnungseigentümer könnten eine ohne die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung vorgenommene bauliche Änderung nachträglich mit der Folge genehmigen, dass ein Beseitigungsanspruch der anderen Eigentümer ausgeschlossen sei. Dies gelte auch dann, wenn nicht alle erforderlichen Zustimmungen vorlägen, da dies nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen würde. Die in der Berufungsinstanz aufgeworfene Frage der Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussanfechtungsverfahrens musste der BGH nicht prüfen, weil insoweit Vortrag in der Revisionsbegründung unterblieben war.
Der gefasste Beschluss sei auch nicht deshalb (teilweise) nichtig, weil er eine rechtswidrige Kostenregelung enthalte. Die Kostenregelung im Beschluss stehe nicht den gesetzlichen Anforderungen in § 16 Abs. 4 WEG entgegen. Nach § 16 Abs. 4 WEG können die Wohnungseigentümer im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung oder zu baulichen Veränderungen durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von § 16 Abs. 2 WEG (MEA) regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung trägt. Eine Kostenverteilung über den Einzelfall hinaus ist nach der Rechtsprechung des BGH allerdings auch in einer mittelbaren Wirkung nicht zulässig. Die Kostenregelung muss ich im Vollzug der einen, konkreten Maßnahme erschöpfen (BGH-Urteile vom 18.6.2010, V ZR 164/09 – ZIV 2010, 54 und vom 26.10.2012, V ZR 7/12 – ZIV 2010, 75).
Bislang habe der BGH-Senat offengelassen, ob die Wohnungseigentümer über § 16 Abs. 4 WEG auch über Folgekosten entscheiden könnten. Dies bedürfe auch in diesem Fall keiner Entscheidung, weil die Eigentümer im Beschluss keine Änderung der Kostenverteilung beschlossen hätten. Vielmehr hätten sie von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, die Gestattung der baulichen Änderung unter der Einschränkung zu erteilen, dass die jeweiligen Eigentümer die Folgekosten trügen. Weigere sich ein Eigentümer nach der Durchführung der baulichen Maßnahme entstehende Folgekosten zu tragen, könne von ihm der Rückbau verlangt werden. Der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 4 WEG sei von einer solchen Regelung nicht erfasst, V ZR 64/19.