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Anforderungen an die gerichtliche Ermittlung der Vergleichsmiete

Eine Mieterhöhung in Görlitz führte am Ende zu einem Rechtsstreit, der bis nach Karlsruhe zum BGH reichen sollte. Die Vermieterin forderte die Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete von 380,33 € auf 456,25 € (6,25 €/m²) unter Benennung von drei Vergleichswohnungen. Die Mieterin stimmte einer Mieterhöhung auf 400,77 € (5,49 €/m²) zu. Später widerrief sie diese Zustimmung. Die Vermieterin klagte auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf die geforderten 456,25 €. Das Amtsgericht holte ein Gutachten ein und gab der Vermieterin nur teilweise Recht. Es verurteilte die Mieterin zur Zustimmung der Erhöhung der Miete auf 416,10 € (5,70 €/m²). Beide Parteien legten Berufung gegen das Urteil ein. Beide Berufungen wurden zurückgewiesen. Beide Parteien legten anschließend Revision zum BGH ein. Der BGH führte im Urteil vom 24.4.2019 aus, dass die Vergleichsmiete von der Vorinstanz nicht richtig ermittelt worden sei.

Die ortsübliche Vergleichsmiete werde gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder in einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden seien (§ 558 Abs. 2 BGB).

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben sei die ortsübliche Vergleichsmiete ein objektiver Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen solle. Die ortsübliche Vergleichsmiete dürfe im Prozess daher nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, welche die tatsächlichen und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen abbildeten.

Für die Ermittlung mittels gerichtlichem Sachverständigengutachten kämen unterschiedliche wissenschaftliche Bewertungsmethoden in Betracht, die im Ermessen des Richters stünden. Die Wissenschaftlichkeit des Gutachtens litt nach Auffassung des VIII. Zivilsenats nicht darunter, dass der Gutachter die Hausnummern der Gebäude der von ihm herangezogenen Vergleichswohnungen nicht im Gutachten benannt habe. Das sei unproblematisch, weil der vom Gericht bestellte und öffentlich vereidigte Sachverständige – anders als der Vermieter – von Berufs wegen zur Objektivität verpflichtet sei.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs litt das Gutachten jedoch an zwei Defiziten. Zum einen ruhe das Wohnwertmerkmal „Wohnungsgröße“ auf einer unzureichenden empirischen Stütze und zum anderen sei kein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu-grunde gelegt worden.

Das Gutachten habe einen Umrechnungskoeffizienten benutzt, um die Abhängigkeit von Wohnungsgröße und Mietzinshöhe bei den herangezogenen, unterschiedlich großen Vergleichswohnungen zu nivellieren. Diese Umrechnungskoeffizienten beruhten auf statistischen Auswertungen eines Teilmarktes von Lübeck aus dem Jahre 1984. Eine schematische Übernahme dieser mehr als 30 Jahre alten Werte einer anderen Kommune hätte das Berufungsgericht nicht ohne nähere Erläuterung hinnehmen dürfen.

Schließlich habe das Gutachten kein ausgewogenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen berücksichtigt. Das Gutachten verwendete mit einer Ausnahme nur Neuvertragsmieten. Die Bewertung, dass aufgrund des schwachen Vermietungsmarktes in Görlitz die Neuvermietungen nicht die Rolle von „Preistreibern“ übernähmen, könne so nicht gesehen werden, weil sich aus dem Gutachten Preissteigerungen bei den Neuvermietungen gezeigt hätten.

Daneben stellte der BGH fest, dass der von der Mieterin erklärte Widerruf unwirksam sei. Die Zustimmung zur Mieterhöhung unterliege nach der Rechtsprechung des BGH nicht den Regelungen des Fernabsatzgesetzes (§§ 312 ff BGB), BGH-Urteil vom 17.10.2018, VIII ZR 94, 17 – ZIV 2018, 75).

Schließlich rügte der BGH noch die Einordnung der Wohnung in die (unzutreffend) ermittelte Preisspanne von 4,47 €/m² bis 6,93 €/m². Der BGH habe bereits mit Urteil vom 29.2.2012 (VIII ZR 346/10 – ZIV 2012, 17) gerügt, dass bei einer großen Spannbreite der Vermieter nicht automatisch befugt sei, ohne Weiteres den oberen Wert als zu beanspruchende ortsübliche Einzelvergleichsmiete anzusetzen. Vielmehr obliege es im Streitfall dem Gericht, die vom Vermieter zu beanspruchende Vergleichsmiete innerhalb dieses Rahmens zu ermitteln. Dies könne auf unterschiedliche Art und Weise geschehen. So könne eine Häufung von Mieten um einen bestimmten Wert als Spannbreite angesetzt werden, um statistische Ausreißer zu eliminieren. Sei dies nicht möglich, könne auch das arithmetische Mittel herangezogen werden. Andernfalls würde man dem Vermieter eine Marktstreuung allein zugute kommen lassen, was nicht sachgerecht sei, Urteil vom 24.4.2019, VIII ZR 62/18.