
Einmal mehr gab es in München Streit in einer Wohnanlage wegen sogenannter Medizintouristen aus dem Ausland. Ein Wohnungseigentümer vermietete seine Wohnung an einen Mieter, der wiederum regelmäßig an Personen untervermietete, die sich in einem nahegelegenen Klinikum einer Behandlung unterziehen wollten. Seine Nachbarin über ihm beklagte sich über Geruchs- und Lärmbelästigungen. Sie sah sich insoweit auch einer Behandlung ausgesetzt, allerdings mit ätherischen Ölen, Weihrauch, Sisha-Rauch, Essensgerüchen und einem zu laut eingestellten Fernseher. Sie berief sich auf das in § 14 Nr. 1 WEG formulierte Rücksichtnahmegebot, wonach jeder Wohnungseigentümer vom Sonder- und Gemeinschaftseigentum nur in solcher Weise Gebrauch machen darf, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer hierdurch über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht.
Bei einer Eigentümerversammlung im Jahre 2014 fassten die Wohnungseigentümer den Beschluss, einen Anwalt mit einer Klage auf Unterlassung der namentlich bezeichneten Verstöße zu beauftragen.
Ein dreiviertel Jahr später (2015) beschlossen die Wohnungseigentümer zudem, die Vergemeinschaftung der weiteren Rechtsverfolgung. Im Beschluss hieß es u.a:
„Die Wohnungseigentümer beschließen die Durchsetzung von Ansprüchen, die dem jeweiligen Wohnungseigentümer deshalb zustehen, weil
einzelne Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) entgegen § 14 Nr. 1 WEG einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, durch den andere Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.“
eine „(…) Vermietung (…) der Wohnung dahingehend, dass die Wohnung weder (…) an häufig wechselnde Medizin- oder Krankenhaustouristen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien (…)“ erfolgt.
Es folgte eine katalogartige Aufzählung der Geruchs- und Lärmbelästigungen. Zudem wurde die Vergemeinschaftung der Durchsetzung der Ansprüche der Wohnungseigentümer beschlossen, soweit diese vom vermietenden Wohnungseigentümer beleidigt und tätlich angegriffen wurden.
Bereits vor diesen Beschlussfassungen hatte die Nachbarin Klage gegen den benachbarten Mieter unter ihrer Wohnung wegen der beanstandeten Geruchs- und Lärmbelästigungen eingereicht und zudem beantragt, die Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen. Das Landgericht München I wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung zum Oberlandesgericht wurde durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Nachbarin ihre Ansprüche vor dem Bundesgerichtshof weiter.
Das Berufungsgericht schloss sich der Bewertung des Landgerichts an. Seit dem Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft aus dem Jahre 2014 sei sie nicht mehr prozessführungsbefugt.
Im Urteil vom 24.1.2020 führte der BGH aus, dass eine Prozessführungsbefugnis der Nachbarin wegen der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb unzulässig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestünde hinsichtlich der Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Gemeinschaftseigentum nur ein gekorener Anspruch nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG.
Durch Beschluss könne die Gemeinschaft die Verfolgung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen an sich ziehen und sei dann alleine für die gerichtliche Geltendmachung zuständig;
dies gelte auch, wenn sich die Klage gegen Dritte (hier gegen den Mieter, der an Touristen untervermietet) richte, vgl. BGH-Urteil vom 5.12.2014, V ZR 5/14 – ZIV 2014, 79, BGH-Urteil vom 13.10.2017, V ZR 45/17 – ZIV 2017, 79; BGH-Urteil vom 15.12.2017, V ZR 275/16 – ZIV 2018, 30; BGH-Urteil vom 25.10.2019, V ZR 271/18 – ZIV 2019, 92. Diese Vergemeinschaftung der Rechtsverfolgung sei durch den Beschluss im Jahre 2015 erfolgt. Die Vergemeinschaftung wegen zweckwidriger Nutzung eines Wohnungseigentums sei auch zulässig, BGH-Urteil vom 15.12.2017, V ZR 275/16 – ZIV 2018, 30. Die hierfür notwendige Voraussetzung, dass die Rechtsausübung durch den Verband dem Gemeinschaftsinteresse förderlich sei, bestünde unabhängig davon, ob die Nutzung zu nachteiligen Auswirkungen des Gemeinschaftseigentums oder des Sondereigentums führe, BGH-Urteil vom 25.10.2019, V ZR 271/18 – ZIV 2019, 92.
Der gefasste Beschluss sei auch nicht nichtig. Zwar umfasse er Regelungsbereiche, für die der Wohnungseigentümergemeinschaft die Beschlusskompetenz fehle, so namentlich die Regelung zur Abwehr von Persönlichkeits- und Körperverletzungen sowie wegen der Beeinträchtigung des räumlichen Bereichs des Sondereigentums. Der Beschluss sei insoweit aber nur teilnichtig, § 139 BGB. Könne man nach dem hypothetischen Parteiwillen davon ausgehen, dass der Beschluss auch gefasst worden wäre, wenn nur der rechtlich zulässige Teil zur Abstimmung gestanden hätte, bliebe dieser Teil erhalten. Im konkreten Fall sei davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer auch nur den zulässigen Teil des Beschlussantragsantrags angenommen hätten.
Der Vergemeinschaftungsbeschluss führe dazu, dass die Klage der Nachbarin unzulässig werde. Sie sei allerdings nicht gezwungen die Klage zurück zu nehmen, sondern könne dem nachträglichen Fortfall der Prozessführungsbefugnis Rechnung tragen, indem sie mutmaßlich kostenschonend den Rechtsstreit für erledigt erkläre.
Die Vorinstanzen hätten allerdings unzutreffend angenommen, der Nachbarin fehle die Prozessführungsbefugnis insgesamt. Soweit sich die Nachbarin gegen Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums in Gestalt von Lärm und Gerüchen wende, könne die Gemeinschaft diese Rechtsverfolgung nicht durch Beschluss vergemeinschaften. Das sei auch dann nicht möglich, wenn die Störungen zugleich das Gemeinschaftseigentum beträfen. Ein Wohnungseigentümer müsse in keinem Fall hinnehmen, dass ihm die Befugnis entzogen werde, gegen Störungen vorzugehen, die im räumlichen Bereich seines Sondereigentums aufträten.
Wann eine nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähige Beeinträchtigung vorliege, beurteile sich bei Immissionen nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB (Gas, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Geräusche etc.) nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten sei, vgl. BGH-Urteil vom 16.1.2015, V ZR 110/14 – ZIV 2015, 5. Dies gelte auch dann, wenn die Sondereigentumseinheit vom Mieter entsprechend der Zweckbestimmung in der Teilungserklärung genutzt werde, vgl. BGH-Urteil vom 8.3.2019, V ZR 330/17 – ZIV 2019, 21. Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, verwies der V. Zivilsenat den Rechtsstreit unter teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Beschlusses zurück an das Oberlandesgericht München, V ZR 295/16.