Wohnungseigentümer wird man mit Eintragung im Grundbuch. Davor ist man Käufer und hat nach dem Gesetz keine Verpflichtung Hausgeld zu bezahlen oder das Recht an den Entscheidungen der übrigen Wohnungseigentümer zu partizipieren. Diese Regelung empfanden die Gerichte als unbefriedigend, zumal die Übergabe der Wohnung i.d.R. schon weit vor der Grundbucheintragung stattfindet. Dann bezahlt der teilende Eigentümer das Hausgeld, während der Käufer in der genutzten Wohnung Kosten verursacht. Die Beschlussfassungen würden zudem noch immer vom teilenden Eigentümer erfolgen, während der Nutzer keine Entscheidungskompetenz hätte. Dieses Auseinanderfallen von Nutzungen einerseits und Entscheidungskompetenz sowie Lasten andererseits wurde auch von den Wohnungskäufern als nicht sinnvoll empfunden.
Der Bundesgerichtshof schuf daher die Konstruktion einer zeitlich vorverlagerten Interims-Wohnungseigentümergemeinschaft und nannte sie „werdende Wohnungseigentümer-gemeinschaft“. Sie sollte entstehen, wenn der erste Wohnungseigentümer eine gefestigte Rechtsposition durch eine Auflassungsvormerkung und durch Einräumung des Besitzes an der Wohnung erworben hatte. Nicht entschieden war bisher, ob die Konstruktion der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft auch dann noch Anwendung findet, wenn nach dem Abverkauf der erste Wohnungskäufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde und dadurch die gesetzlich geregelte (echte) Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden ist. Mit dieser Rechtsfrage befasste sich der BGH im Urteil vom 14.2.2020.
Die Bauträgerin teilte mit notarieller Urkunde vom 26.1.2013 ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude in Teil- und Wohneigentum auf und begann kurz danach mit dem Abverkauf. Am 31.3.2016 wurde die erste Erwerberin im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Danach, nämlich am 30.6.2016 verkaufte die Bauträgerin sechs weitere Wohnungen.
Die Übergabe von zwei der sechs Wohnungen erfolgte am 22.8.2016. Zu drei Eigentümerversammlungen 2017 wurde die Erwerberin eingeladen. Zu einer vierten Versammlung im Jahre 2017 wurde sie allerdings plötzlich mit der Begründung ausgeschlossen, sie sei noch keine Wohnungseigentümerin, weil sie als solche noch nicht im Grundbuch eingetragen sei.
Die Erwerberin focht nachfolgend einen Beschluss der Versammlung an. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung zum Landgericht Berlin hatte keinen Erfolg. Das Landgericht vertrat mit der herrschenden Meinung die Auffassung, dass aufgrund der vorherigen Eintragung einer anderen Erwerberin im Grundbuch die Wohnungseigentümergemeinschaft in Vollzug gesetzt worden sei, so dass anschließend kein neuer Erwerber mehr werdender Wohnungseigentümer werden könne.
Die Revision gegen dieses Urteil hatte dagegen Erfolg. Der V. Zivilsenat entschied im Urteil vom 14.2.2020, dass die Erwerberin von der Versammlung nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen. Der angefochtene Beschluss wurde daher für ungültig erklärt. Die Bundesrichter führten zur Begründung im Urteil aus, dass die Rechtskonstruktion der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft für jeden Ersterwerb vom teilenden Eigentümer (nicht nur Bauträger) gelte, gleichviel, ob schon einzelne andere Käufer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sind oder nicht. Mit der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft solle eine Regelungslücke des Wohnungseigentumsgesetzes geschlossen werden. Man versuche dem „Demokratisierungsinteresse“ der Wohnungskäufer mit einer gesicherten Rechtsposition (Auflassungsvormerkung plus Besitz an der Wohnung) Rechnung zu tragen. Die Wohnanlage müsse schon ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden, was sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben sollte, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer nach den Regeln erfolgen sollte, deren Geltung die Beteiligten ohnehin anstrebten. Diese Regelungslücke schließe sich regelmäßig nicht schon mit der ersten Eintragung eines weiteren (neben dem aufteilenden Eigentümer) Eigentümers. Dann gibt es zwar die echte Wohnungseigentümergemeinschaft; an ihr könnten dann aber einzelne nutzende Erwerber nicht mitwirken. Die Regelungslücke schließe sich daher erst mit der Eintragung des letzten Käufers als Eigentümer, V ZR 159/19.